In der Sitzung des Forums „Gute Arbeit an Berliner Hochschulen“ am 15.10.2024 hat Wissenschaftsstaatssekretär Dr. Marx völlig überraschend angekündigt, dass die verpflichtende unbefristete Beschäftigung von promovieren Wissenschaftler*innen zur Disposition steht. Wegen angeblicher Rechtsunsicherheiten soll die Umsetzung des § 110 Abs. 6 Berliner Hochschulgesetz nicht weiterverfolgt werden. Damit würde eines der zentralen und bundesweit viel beachteten Reformvorhaben des am 14.09.2021 beschlossenen Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) gekippt.
Kern der Regelung des § 110 Abs. 6 BerlHG ist, dass mit promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu vereinbaren ist, wenn zuvor festgelegte Qualifizierungsziele erreicht wurden. Die Umsetzung dieser Reform wurde mehrfach und zuletzt bis 31.03.2025 verschoben. Die Berliner Hochschulen haben in den letzten drei Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um Konzepte zur Schaffung von verbindlichen Dauerstellen für Post-Docs zu entwickeln. Dazu gab es langwierige Abstimmungen mit der Senatsverwaltung für Wissenschaft. Die Sitzung des Forums „Gute Arbeit an den Berliner Hochschulen“ am 15.10.2024 sollte einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung des § 110 Abs. 6 BerlHG ab dem 01.04.2025 leisten. Mit der nun verkündeten Abkehr von der verbindlichen dauerhaften Beschäftigung von promovierten Wissenschaftler*innen knickt die SPD geführte Senatswissenschaftsverwaltung nicht nur vor ihrem Koalitionspartner CDU und den konservativen professoralen Kräften der Universitäten ein. Sie degradiert damit auch das „Forum Gute Arbeit an Berliner Hochschulen“ zu einem unverbindlichen Gesprächskreis.
Das im Koalitionsvertrag und in den Hochschulverträgen verankerte partizipative Format des „Forums Gute Arbeit an Berliner Hochschulen“ mit verabredeten Zielen und einer ergebnisorientierten Arbeitsweise zur Durchsetzung guter und besserer Arbeitsbedingungen in den Berliner Hochschulen wird damit grundsätzlich in Frage gestellt.
Wir - als Vertretungen der Arbeitnehmer*innen im Forum Gute Arbeit - sehen diese Abkehr von § 110 (6) mit großer Sorge. Nach über drei Jahren sollen alle Anstrengungen für mehr attraktive und dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse neben der Professur zunichtegemacht werden. Das ist absolut inakzeptabel. Als einen wesentlichen Grund für die Abkehr von § 110 Abs. 6 BerlHG führte Staatssekretär Marx an, dass die Senatswissenschaftsverwaltung zu dem Schluss gekommen ist, dass die Regelung des § 110 (6) nicht rechtssicher sei. Diese Begründung können wir nicht nachvollziehen. Seit Einreichung der Verfassungsbeschwerde der Leitung der Humboldt-Universität und der Normenkontrollklage der CDU im Jahr 2021 gibt es keinen neuen Stand. Die Hochschulen und vor allem deren akademische Gremien haben dagegen praktikable Umsetzungskonzepte entwickelt, die ab 01.04.2025 greifen könnten. Die Hochschulen als Arbeitgeber*innen brauchen ein starkes Signal der Politik, dass attraktive Arbeitsverhältnisse nach der Promotion nicht nur eine Option, sondern eine Verpflichtung sind, um Berlin als Wissenschaftsstandort bundesweit und international wettbewerbsfähig zu halten. Mit der Umsetzung von § 110 (6) würden neue Wege beschritten, die die überkommenen Beschäftigungsmodelle im Hamsterrad von Befristungen wenigstens für einen Teil der exzellenten Köpfe durch Normalarbeitsverhältnisse ablösen. Das ist das Minimum für exzellente Wissenschaft, die eine Kontinuität in der Wissenskompetenz erfordert - neben der abnehmenden Zahl von verbeamteten Professuren. Ohne diese Kompetenzsicherung durch mehr unbefristete Post-Doc-Stellen können viele der Professuren keine arbeitsfähigen Teams in Forschung und Lehre bilden. Berlin kann mit dieser Reform in Deutschland eine Vorreiterrolle für exzellente dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse von hochqualifizierten Wissenschaftler*innen einnehmen. Weg vom ständigen Hire und Fire, Schluss mit den überkommenden hierarchischen Machtstrukturen, hin zu Wissenschaft als Beruf! Brain City mit guter Arbeit!
Wir fordern daher die politische Leitung der Senatswissenschaftsverwaltung auf, den § 110 Absatz 6 Berliner Hochschulgesetz ohne Wenn und Aber zu erhalten und umzusetzen und endlich den Weg für attraktive dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft neben der Professur frei zu machen. Schaffen Sie Gelingensbedingungen für eine konstruktive weitere Zusammenarbeit im Forum sowie für die Umsetzung von § 110 (6)!
- Dr. Constanze Baum, Landesvertretung Akademischer Mittelbau Berlin (LAMB), Sprecherin, HU Berlin
- Jana Seppelt, ver.di Berlin/Brandenburg, Landesfachbereichsleitung Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft
- Stefanie Nickel, Vorsitzende des Personalrats, TU Berlin
- Dr. Peter Witte, Mitglied im Akademischen Senat, FU Berlin
- Laura Haßler, GEW BERLIN, Leitung Vorstandsbereich Hochschulen und Lehrkräftebildung
- Janis Klusmann, GEW BERLIN, Referent Vorstandsbereich Hochschulen und Lehrkräftebildung
- Dr. Henning Füller, Mittelbauvertretung HU Berlin
- Sera Renée Zentiks, Dr. Anja Günther, Sprecher*innenteam der Landesvertretung der Mitarbeitenden in Technik, Service und Verwaltung (LMTSV)
- Felicia Kompio, GEW BERLIN, Sprecherin Abteilung Wissenschaft
- Dr. Jana Lüdtke, Mitglied im Akademischen Senat, FU Berlin
- Jan Naumann, LAMB, Mitglied im Erweiterten Akademischen Senat, FU Berlin
- Benjamin Bisping, LAMB, Mitglied im Kuratorium, TU Berlin
- Dr.-Ing. Wulf-Holger Arndt, Mittelbauinitiative und stellv. Mitglied im Kuratorium, TU Berlin
- Dr.-Ing. Barry Linnert, LAMB, FU Berlin
- Dr. Anette Simonis, LAMB, Charité
- sowie weitere in das Forum Gute Arbeit entsandte Vertreter*innen der Beschäftigten der Berliner Hochschulen